Antwort auf die Frage des Monats Dezember 2012/Januar 2013

Die Frage:

Von Beginn an hat sich die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ für eine Klarstellung des Artikels 26 (2) des Grundgesetzes eingesetzt.
Denn: Die Verfasser des GG haben 1949 nicht an die heutige Dimension der Rüstungsexporte aus Deutschland gedacht.
1 Außerdem wirkt der Artikel 26 (2) in seiner heutigen Fassung2 nicht mehr restriktiv auf die Genehmigungspraxis. Seit Anfang der 1960-er Jahre wird neben dem Kriegswaffenkontrollgesetz auch das sehr laxe Außenwirtschaftsgesetz angewandt, das in erster Linie dem freien Welthandel dient.

Die Kampagne schlägt folgende Klarstellung des GG vor:

Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.

Pax Christi Münster meint: "
Das ist eine gute Idee, weil quasi die „Beweislast“ umgekehrt wird: Nicht mehr Exportbeschränkungen und -verbote wären dann die Ausnahme, sondern die Waffenlieferungen würden zur Ausnahme, die jeweils der Begründung bedürften (z.B. Exporte innerhalb der EU).

Pax Christi Münster fragt: "Unterstützen Sie eine solche Klarstellung im Geist der Verfasser des Grundgesetzes und im Sinne des allgemeinen Friedensgebots der Präambel des GG?"

Antwort des AK Außen:

Nein! Wir teilen Ihre Interpretation der Präambel des Grundgesetzes in dieser Weise nicht, da Sie den europäischen Bezug ignoriert: „...als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ heißt es in der Präambel, was für uns bedeutet, dass im Zuge der europäischen Einigung und den damit eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Rüstungsexport an unsere europäischen Partner nicht zu beanstanden ist. Im Gegenteil - grundsätzlich gilt auch im Verteidigungsbereich das europäische Vergaberecht4 und Ausnahmen davon können ausschließlich mit der Wahrung wesentlicher nationaler Sicherheitsinteressen begründet werden (§ 100 Abs. 6 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV).5 Das bedeutet, dass auch deutsche Unternehmen an Ausschreibungen anderer EU-Länder grundsätzlich teilnehmen können müssen, wenn diese Rüstungsaufträge ausschreiben. Ungerechtfertigte Restriktionen verstießen dann gegen europäisches Recht – insbesondere die Warenverkehrsfreiheit. Die politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Rüstungsexport in EU-Länder befinden sich damit auch im Einklang: Er ist grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist.“6

Unseres Erachtens wird das Thema Rüstungsexport – auch aufgrund von zu erwartender Europäisierung von Herstellerunternehmen und der schon länger praktizierten und sinnvollen Rüstungskooperation z.B. im Rahmen von „Pooling und Sharing“ – zukünftig vermehrt auf europäischer Ebene zu diskutieren sein. Auch die Europäische Union ist dem Frieden verpflichtet, wie Artikel 3 (ex-Art. 2 EUV) des EU-Vertrags zu entnehmen ist: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“

Zur restriktiven Regelung des Rüstungsexports an Drittländer auf europäischer Ebene wurde dementsprechend 2008 ein gemeinsamer Standpunkt des Europäischen Rates gefasst.7

Eine Beschränkung der Rüstungszusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern sowie die vorgeschlagene Grundgesetzänderung lehnen wir daher ab!

Wir bitten darum in Zukunft dem Drang zur Stellung von Suggestivfragen zu widerstehen – denn Sie implizieren mit obiger Frageformulierung, dass derjenige, der Ihren Vorschlag nicht in der Form unterstützt, sich automatisch gegen den Geist des Grundgesetzes (das übrigens europarechtskonform auszulegen ist) stellt und auch das Friedensgebot nicht achtet. Dass dies bei uns nicht der Fall ist, dürfte aus obigen Ausführungen deutlich geworden sein.

1 Laut Rüstungsexportbericht gingen im vergangenen Jahr 42% der genehmigten Ausfuhren in Drittstaaten. Noch häufiger als in 2010 wurden Krisengebiete mit deutschen Waffen aufgerüstet. Der Wert der Ausfuhren aufgrund von Einzelgenehmigungen stieg von 4,75 auf 5,41 Mrd. Euro.

2 “Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.”

3 So will die Kampagne die Legislative wieder ins Spiel bringen und die Exekutive in ihrer unkontrollierten Genehmigungsbefugnis erheblich zurückdrängen und an die Vorgaben der Verfassung mit einem grundsätzlichen Verbot binden.